2020 wird als das Jahr in die Geschichtsbücher eingehen, in dem die Erneuerbaren Energien erstmals mehr als die Hälfte des deutschen Stroms erzeugt haben. 50,5 Prozent, um genau zu sein. Was zunächst nach einer guten Nachricht für das Gelingen der Energiewende klingt, ist aber nur die halbe Wahrheit: Der Stromverbrauch in Deutschland war aufgrund der Corona-Pandemie und den damit verbundenen Einschränkungen des öffentlichen Lebens deutlich geringer als in den Jahren zuvor. Das erhöht den Anteil der Erneuerbaren fast automatisch, da sie einen Vorzug bei der Produktion und Verteilung im Stromnetz erhalten. Wo also stehen wir mit der Energiewende in Deutschland?
Um diese Frage zu beantworten, lohnt sich ein Blick auf die drei großen Energiesektoren Strom, Wärme und Verkehr. Denn der Anteil der Erneuerbaren an diesen Sektoren unterscheidet sich zum Teil erheblich. Während Wind, Sonne und Co. bei der Stromerzeugung auf Kurs liegen, werden Verkehr und Wärmeerzeugung derzeit weitestgehend von fossilen Energieträgern bestimmt.
Die enorme Herausforderung für die kommenden Jahrzehnte lautet also, alle emissionsrelevanten Sektoren auf Basis Erneuerbarer Energien und der effizienten Sektorkopplung zu dekarbonisieren und gleichzeitig den wirtschaftlichen Wohlstand in Deutschland hoch zu halten. Diese Transformation hin zur Klimaneutralität wird unausweichlich mit tiefgreifenden Veränderungen einhergehen - sowohl in der Wirtschaft als auch im privaten Konsumverhalten.
Eine besondere Rolle kommt dabei der Mobilität zu: Wirtschaftlicher Wohlstand wird vor allem auch daran bemessen, wie mobil eine Gesellschaft ist. Wie einfach, sicher und günstig können Menschen von A nach B reisen? So lautete lange Zeit die Leitfrage, wenn es um das Thema Mobilität ging. Doch im Zuge der Energiewende muss diese Frage um eine entscheidende Dimension erweitert werden: "Wie einfach, sicher, günstig und effizient können wir uns in Deutschland bewegen?" Denn die Energiewende ist vor allem auch eine Verkehrswende. Und die nimmt zum Glück immer mehr Fahrt auf. Was bedeutet das für meine Systemvision 2050?
Sektorkopplung und Elektromobilität erhöhen massiv den Strombedarf
Zukünftig müssen wir die drei großen Sektoren effizient miteinander verkoppeln. Unsere Wärmeerzeugung und unsere Mobilität müssen mit grünem Strom gespeist werden. Im Wärmebereich gelten vor allem Wärmepumpen als vielversprechende Lösungen. Im Verkehrsbereich wird große Hoffnung auf sparsame und elektrifizierte Fahrzeuge gelegt. Als Carsharing-Anbieter, der schon heute ein Viertel seiner Flotte elektrisch betreibt, teilen wir diese Hoffnung ausdrücklich. Gleichzeitig muss uns allen eines bewusst sein: Die Sektorkopplung bedeutet auch, dass wir mehr Strom brauchen. Das ist grundsätzlich nichts Neues. Der Bruttostromverbrauch ist aufgrund der Digitalisierung und erhöhten Nutzung von neuen Technologien heute deutlich höher als noch vor 30 Jahren. Die Dimensionen sind allerdings beträchtlich. Schauen wir uns die Zahlen an: Den geringsten Stromverbrauch der letzten 30 Jahre verzeichnete Deutschland 1995. Damals verbrauchten die Deutschen 536 Terawattstunden Strom im Jahr. Der Höchstwert von 615 Terawattstunden wurde 2007 erreicht.
Gesamtstromnachfrage in Deutschland entwickelt sich bis 2050 auf 980 TWh pro Jahr. Rund ein Drittel der Nachfrage kommt aus der Industrie.
Die wichtigsten Stromerzeuger 2050 sind Onshore-Windenergie mit 182 TWh, Offshore-Windenergie mit 213 TWh und Photovoltaik mit 193 TWh.
Mindestens 75 Prozent der gesamten PKW-Flotte werden in Deutschland bis 2050 elektrisch betrieben (insgesamt 26,25 Mio. E-PKW).